Sonneninsel Usedom, Märcheninsel Fünen, Aussagen, nachzuhaken. Klar, Usedom hat die meisten Sonnenstunden Deutschlands im Jahr. Aber die dänische Insel Fünen? Mit 2.985 Quadratkilometer die drittgrößte Insel Dänemarks, liegt sie märchenhaft zentral von Meer umgeben zwischen dem Kleinen und Großen Belt. Und märchenhaft klingt ebenso, dass Chinesen eine starke Besuchergruppe stellen. Volle Busladungen steigen an Sehenswürdigkeiten wie dem Schloss Egeskov aus und kommen begeistert aus dem Schlossgarten zurück.
Doch der tatsächliche Grund ihres Besuches ist der Märchendichter Hans Christian Andersen. Mit seinen Märchen, erfährt man vor Ort, seien sie aufgewachsen. Und nun wollen sie diesen Ort aufsuchen, wo „ihr“ Dichter gelebt und gewirkt hat.
Odense, mit 175.245 Einwohnern größte Stadt Fünens und nach Kopenhagen zweitgrößte Dänemarks, ist der Märchenort, in dem der 1805 geborene Dichter – nicht gerade märchenhaft – in einem Slum in größter Armut aufgewachsen ist. Vater armer Schuster, der früh starb, Mutter Wäscherin, die wegen des langen Ausharrens im kalten Flusswasser im Alkohol Wärme suchte, trunksüchtig wurde und dement endete.
Mit 14 suchte der Junge die Großstadt Kopenhagen auf, sammelte neue Eindrücke, verarbeitete sie mit seinem Erlebten und seinen Fantasien, und so entstanden mit der Zeit 156 Märchen, 14 Romane und Novellen, rund 50 dramatische Werke, etwa tausend Gedichte, eine Fülle biografischer Arbeiten, Artikel und kleine Humoresken. Von ihm sind Scherenschnitte bekannt, alles bis aufs kleinste Detail ausgestellt im Museum mit seinem Namen, einem gläsernen Haus am See mit gegenüberliegendem Schlösschen für Aufführungen seiner Werke.
„Reisen ist Leben“ sagte er einmal, und so reiste der 1,85 Meter große Mann – 25 Zentimeter größer als die Norm im 19. Jahrhundert – durch die Welt, wurde bekannt und berühmt, übersetzt in 160 Sprachen.
Doch „Leben ist nicht genug! Sonnenschein, Freiheit und ein kleines Blümchen muss man haben!“ (in „Der Schmetterling“) Zeit seines Lebens blieb er allein, unverheiratet, bis er 1885 starb, in Ehren zwar, mit der Auszeichnung Ehrenbürger der Stadt Odense, aber einsam. Der andere Ehrenbürger war König Frederik VII., einer vom niedersten Boden und einer von der absoluten Spitze, zwei Welten vereint.
So wirbt also Fünen aus gutem Grund mit dem Slogan Märcheninsel, aber auch mit dem inzwischen beliebten Wort Entschleunigung, ohne es zu nennen. Die Menschen leben „das gute Leben von Fünen“ mit frischer Meeresluft, Ruhe und Gelassenheit, Qualität statt Quantität. Sie bauen selbst Gemüse und Früchte an – Fünen wird auch als der Garten Dänemarks bezeichnet. Oft an der Landstraße liest man Tafeln, auf denen Kartoffeln, Früchte und Honig angeboten werden. Es gibt Hofläden, die selbst gebrautes Bier, Wein, Schokolade, Whisky, ja sogar Seife anbieten, die eine Frau mit Kräutern aus ihrem Garten herstellt.
Man kann sich selbst überzeugen, etwa in dem kleinsten der acht Weingüter auf Fünen (www.skaaruporevin.dk), das – urig – alte Essigfässer zu Räumen für Verkostungen umfunktionierte, nur 3.200 Weinstöcke besitzt und Weißwein aus der speziell für Skandinavien angepassten Rebsorte Solaris produziert, Roséweine, Sekt nach traditioneller Methode, aber auch Apfelsekt.
Man kann eine Chocolaterie besuchen, die das aus Tansania bezogene Grundprodukt ohne Zusatzstoffe, nur mit Naturprodukten verfeinert und an Feinkostgeschäfte liefert, auch in Deutschland. Selbst sie widmet Andersen eine eigene Kollektion von neun verschiedenen Geschmacksrichtungen, die „Fairytale Collection“ (www.konnerup-co.dk). Ein passendes Souvenir.
Auch Brauereien stehen Besuchern offen, etwa die kleinste, „Father & Son“, die zehn Biere offeriert und in ihrem Restaurant teils erotische Kunst ausstellt (www.kunstbryggeriet.dk).
Als Hans Christian Andersen gefragt wurde, was Fyn – wie Fünen auf dänisch heißt – bedeutet, antwortete er in dichterischer Freiheit: „fin“. Das heißt auf Deutsch schlicht: fein.
Jedes Jahr im August wird das Universum von Hans Christian Andersen beim Andersen-Festival in allen Formaten zum Leben erweckt – durch Theatervorstellungen, Vorträge, Konzerte, Streetart, Lichtershows und vieles mehr.
Odense macht es leicht, den perfekten Gang durch die Stadt zu finden. Metallene Fußabdrücke auf dem Kopfsteinpflaster zeigen den Weg. Spezielle eingravierte Metallplatten im Pflaster führen auf Hans Christian Andersens Spuren zu seinen ehemaligen Wirkungsstätten. An alles hat Odense gedacht. Ein überdimensionaler Apfel, Ingrid Marie geheißen, hängt im Odense-Museum und weist daraufhin, dass hier zuerst diese Apfelsorte angebaut wurde.
Wert ist ein Ausflug zum anfangs erwähnten Wasserschloss Egeskov in Kværndrup aus dem Jahre 1554, das wegen seines Parks, als einer der 15 schönsten der Welt ausgezeichnet, bedeutungsvollste von den 123 historischen Schlössern und Herrenhöfen auf Fünen. Der von Versailles inspirierte Schlosspark Egeskov wurde von Niels Krag dem Jüngeren angelegt, der von 1722 bis 1740 auf Egeskov weilte.
Das Besondere daran, er ist unterteilt in viele Themengärten. Herausragend das erhalten gebliebene 280 Jahre alte Heckensystem, die höchsten Hecken messen acht Meter, noch immer von den vielen Besuchern auf ihrem Weg von einem Garten zum nächsten bewundert. Wem die Stauden, Blumen und Pflanzen gefallen, kann sie in der Gärtnerei beim Ausgang käuflich erwerben. Ein touristisches Ziel wurde der Park jedoch erst, als Nonni und Gregers Ahlefeldt ihn 1962 nach einer umfassenden Restaurierung für das Publikum öffneten. Gleich zehn Pfaue begrüßen den Gast mit ihren typischen Schreien am Eingang, eine Schwanenfamilie zieht über das Wasser. Kinder spielen und klettern auf dem größten Spielplatz Dänemarks, die Großen ruhen in den Hängematten, alle dürfen die Wiesen betreten und auf ihnen picknicken, etwa unter der über 600 Jahre alten Eiche im Englischen Garten, denn der Park soll eine Attraktion für die ganze Familie sein. In den Ferienmonaten Juli/August kommen schon mal bis zu 6.000 Besucher am Tag zusammen.
Auch für die Herren der Schöpfung ist gesorgt. Sie finden eine Oldtimer-Sammlung vor vom Ende des 19. Jahrhunderts bis Anfang der 1980er Jahre, die ihresgleichen sucht, 50 wunderschön restaurierte Autos. Witzig ist eines der alten Wohnmobile, ein riesiger Lastwagen mit Innenleben. Dazu Fahrräder, Motorräder und sogar alte Krankenwagen.
Den Damen wird die Mode-Ausstellung aus den Jahren 1850 bis 1900 gefallen und sicher auch der Kaufmannsladen, der Waren aus den Jahren 1930 bis 1950 präsentiert.
In den Schloss-Innenräumen wird es auf einmal märchenhaft, denn hier sieht man das wahrscheinlich märchenhafteste Puppenhaus der Welt: den aus 3.000 Teilen bestehenden Titanias Palast, darunter viele kleine Kunstschätze, aus der ganzen Welt zusammengetragen.
Als Ausgangspunkt für all die Erkundungen könnte man Svendborg wählen, etwa das Hotel Christiansminde (www.christiansminde.dk), direkt am Strand gelegen, die Zimmer mit herrlichem Blick auf die Ostsee.
Vom nahe gelegenen Hafen sollte man die einstündige Fährüberfahrt nach Ærø nicht scheuen, der Insel, die zu Fünen gehört und viele Jahre lang Dänemarks maritimer Mittelpunkt war. In Ærøskøbing angekommen, möchte man gleich verweilen, denn der Ort kommt einem in der Tat märchenhaft vor. Verwinkelte Gassen, windschiefe, uralte Fachwerk-Häuschen, oft aus dem 17. Jahrhundert, alle mit Rosen bestückt, die Fenster liebevoll mit Keramikfiguren und Porzellangefäßen ausstaffiert. Einmalige Türen, keine gleicht der anderen – eines der vielen Fotomotive. Schaut ein Porzellan-Hundepärchen aus dem Fenster auf die Straße, hat – oder vielmehr hatte – das eine Bedeutung, als die Ehemänner zur See fuhren. „Du kannst eintreten, ich bin allein“, sollte es heißen. Drehten die Hunde ihr Hinterteil zum Fenster, bedeutete das: „Mein Mann ist zu Hause. Kein Zutritt.“ Doch in Ærøskøbing erzählt der Guide, die Hunde hielten nach ihrem Herrchen Ausschau, und wenn „Papa“ zu Hause war, guckten sie ins Wohnzimmer. So hätte jeder gewusst, kein Besuch erwünscht.
Fünen hat bestens ausgebaute Radwege und möchte die Radinsel schlechthin werden, so dass die Hotels sich schon darauf einstellen und zu Radhotels ausgebaut werden, auch das Christiansminde. Wer also eine Radtour unternehmen möchte, kann sie über die Mecklenburger Radtour (www.mecklenburger-radtour.de) buchen, komfortabel mit Gepäcktransport. Er sollte aber auch eine gute Kondition haben, denn die Insel ist hügelig, und mancher „Hügel“ ist für Ungeübte trotz 8-Gang-Schaltung schwer zu besteigen. Da ist so manches Mal absteigen und schieben angesagt. Dennoch, ein Erlebnis ist es allemal.
Übrigens: Eine Million Weihnachtsbäume liefert Fünen jedes Jahr nach Deutschland.
Info: visitfyn.de
Fotos Elke Backert