Über Föhr und Amrum lacht die Sonne, über Sylt die ganze Welt“, spottet Busfahrer Markus bei einer zweistündigen Rundfahrt über die Nordseeinsel Föhr. Damit spielt er auf die Konkurrentin an, die Sylt bei den drei Nordfriesischen Inseln immer bleiben wird.
Doch Amrum und Föhr müssen sich hinter Sylt nicht verstecken. Im Gegenteil.
Schon die Rundfahrt durch Wyk und die elf Inseldörfer auf Föhr beweist es. Die grüne mit 82 Quadratkilometer größte der drei Nordfriesen, die nur per Schiff oder Flugzeug erreichbar ist, hat es gar nicht nötig, sich in der Werbung als „Friesische Karibik“ zu empfehlen. 37 Kilometer Küste, davon 22 Deich und zwölf Sandstrand, 2.509 Strandkörbe, 200 Kilometer asphaltierte und doch grüne Radwege, ein 27-Loch-Golfplatz, rund 9.000 Einwohner, 10.000 glückliche Kühe, 3.500 wollige Schafe, 850 edle Pferde, ungezählte wunderschöne aus dem 18. Jahrhundert stammende Reetdach-Häuser, ja sogar eine Jugendherberge, fünf Mühlen und drei Kirchen und die von der Unesco als schützenswert und zum Welterbe erhobene Wattlandschaft mit über 10.000 Tier- und Pflanzenarten sprechen für sich.
Kamen in der ersten Sommersaison des Seebads Wyk, damals noch Wieck, im Jahre 1819 61 Gäste, sind es heute rund 200.000. 1878 und 1879 verbrachte der Walzerkönig Johann Strauß seinen Sommerurlaub auf Föhr und komponierte den Walzer „Nordseebilder“, Opus 390. Etwa um diese Zeit wanderten aber auch mehr Einwohner nach Amerika aus, vornehmlich New York, als heute auf der Insel leben.
Die Bustour ist ein idealer Einstieg zum Kennenlernen der Insel, die jeder später mit dem Rad – bei nur zwölf Kilometern Länge und einer höchsten Erhebung von 13 Metern – erfahren kann.
Busfahrer Markus kennt eine Menge Kuriositäten und erzählt oder zeigt sie den Urlaubern. Zum Beispiel das Reethaus eines der Aldi-Brüder in Nieblum, leicht erkennbar am dorischen Säulen-Eingang. Was mit ein Grund sei, dass es auf Föhr keinen Aldi-Markt gäbe. Nieblum wurde bereits einige Male als „Schönstes Dorf Schleswig-Holsteins“ auserkoren. Doch Wrixum steht dem in nichts nach. Alte Kapitäns-Häuser mit blau angemalten Fenstern und Türen und blumenreichen Vorgärten mit weißen stattlichen Toren. Was die Endung -büll auf dem Festland sei, sei auf Föhr -um und bedeute schlicht Heim: Dunsum, Midlum, Alkersum, Oldsum, Witzum, Utersum.
In Oldsum fällt auf, dass Straßennamen fehlen. Nur Nummern sind an den Häusern angebracht, aber nicht, wie wir das kennen, rechte Seite die geraden, linke Seite die ungeraden oder umgekehrt. Die Nummern richten sich nach der Bauzeit, so dass auf 150 die Nummer 131 folgen kann.
Utersum gedenkt mit einer Grabstätte seines Ehrenbürgers, des 1987 verstorbenen „Dalli, Dalli“-Moderators Hans Rosenthal, der auf Föhr ein Haus besaß, das nach seinem Tod seine Frau allein bewohnt.
Utersum hat angeblich den beliebtesten Badestrand mit Blick auf Sylt und Amrum und dessen zweitlängsten, aber breitesten Sandstrand der Nordsee. Beliebt seien aber auch die „Friedrich-Komm-Kucken“-Strände in Wyk und Goting. Die was? fragt sich der Urlauber. Na, die FKK-Strände, die es neben den extra ausgewiesenen Hunde-Stränden gibt.
Ein besonderes Kleinod ist die Kirche St. Laurentii von Süderende, auch Friesendom genannt. Den aus Eiche geschnittenen Flügelaltarschrein darf man bewundern, die reich verzierte Kanzel aus dem 17. Jahrhundert und den wie ein Trog aus Granit geformten Taufstein aus dem Jahre 1150. Den brauchte man damals zur Taufe, denn die Kinder wurden untergetaucht, weshalb – man gucke und staune – ein Handtuchhalter an der Wand angebracht ist. Die Kinder mussten ja abgetrocknet werden. Ein Votivschiff deutet an, dass in Not geratene und gerettete Seefahrer das Schiff der Kirche als Dank spendeten.
Der hohe Kirchturm diente in früheren Zeiten als Ausguck. Strandete ein fremdes Schiff, läuteten die Glocken, und alle Einwohner rannten zum Strand, nicht um den Schiffbrüchigen zu helfen, sondern um deren Habe zu rauben.
Viele alte Grabsteine auf dem Friedhof erzählen die Lebensgeschichten der Seefahrer, zum Teil auf Friesisch. Bilder ergänzen das geschriebene Wort, etwa ein Oktant mit Fernrohr, ein Wal oder ein Segelschiff. Und was hat der Bienenkorb auf dem Grabstein einer Frau zu suchen? Er steht für ihren Fleiß, fleißig wie die Bienchen. Nett!
Auf keinen Fall darf man das Friesenmuseum in Wyk auslassen. Das ist das Haus, dessen Eingänge jeweils zwei 6,30 Meter hohe Unterkieferknochen eines Blauwals zieren. Hier erfährt man Unglaubliches. Oder wussten Sie, dass man auf Föhr bis ins 18. Jahrhundert Salz gewonnen hat? 1000 Gramm Seetorf, der unter dem Watt lagert, ergaben 100 Gramm Salz. Dass es im 19. Jahrhundert auf der Insel noch 769 bronzezeitliche Grabhügel gab, die heute zum Teil eingeebnet und deren Funde im Museum ausgestellt sind? Hier sieht einen das Meeresgetier aus Gläsern an, in Spiritus konserviert – vom Borstenwurm bis zum Seehund-Embryo, vorausgesetzt man drückt den Knopf, der das Getier beleuchtet. Alle Kinder schreien: „Ich, lass mich!“ Kinder haben viel zu tun, Schubladen öffnen, fühlen, anfassen, Vogeleier mit einem riesigen Eierlöffel entnehmen und und und. Man lernt friesische Bräuche kennen, etwa die Maskenvermummung zum Altjahrsabend und den Grund fürs Friesenblau. Blau war schlicht die billigste Farbe. Gutbetuchte bevorzugten Rot oder Grün.
Immer wieder gibt es Sonderausstellungen. Die über die Scheren war besonders bildend. Nach dem Motto: „Was haben Mediziner, Betelnüsse und Trauben gemeinsam? Spezialscheren.“ Auch Scheren in der Kunst kamen nicht zu kurz, etwa die für den Scherenschnitt.
Was Kinder angeht, hat Föhr jeden Sommer die Nase vorn. Die speziell für Kinder von vier, sechs oder acht bis zwölf Jahren entwickelte Kinder-Uni entführt den Nachwuchs zum Beispiel in die Inselklinik. „Wer war denn schon mal im Krankenhaus?“ fragt Dr. Harder. Alle 20 Kinder strecken begeistert die Arme hoch. „Warum?“ Jeder darf antworten. So wird den Kindern die Angst genommen. Sie erfahren, was beim Röntgen passiert, wie ein Gips aufgesägt wird und wie es im OP aussieht. Dazu müssen sie Mundschutz anlegen, eine coole Sache, die mit Freude angenommen wird. Zum Schluss bekommen alle einen Verband am Handgelenk angelegt. Fürchterlich aufgeregt, aber begeistert zeigen sie ihn ihren Eltern, die draußen warten mussten.
Für den „Air“lebnis-Besuch auf dem Flugplatz Wyk muss die Gruppe aufgeteilt werden. Zu viele haben sich für die Tower-Besichtigung angemeldet. Was muss alles beachtet werden, damit ein Flugzeug starten und landen kann? Was hat das Wetter damit zu tun? Auf dem Tower erklärt der Flugleiter seine Aufgaben, nicht ohne zuvor die Kinder zu fragen, was sie bereits wissen oder sich vorstellen können. Ein echtes Flugzeug darf natürlich auch nicht fehlen: Wie sieht es aus und warum fliegt es? Alle dürfen einsteigen und den Steuerknüppel der einmotorigen Propellermaschine bewegen und sehen, was geschieht. Glück haben sie noch dazu, denn es starten und landen mehrere Maschinen, darunter auch ein Doppeldecker.
Mit Nationalpark-Wattführerin Mira Stavermann und ihrer Forke erkunden die Jüngsten in einer spielerischen Erlebnis-Wattführung den Meeresboden. Sie machen sich auf die Suche nach den „Small Five“, das sind Herzmuschel, Nordseegarnele, Wattschnecke, Wattwurm und Strandkrabbe, und sie lernen Miesmuscheln kennen und warum sie so heißen. Viele bringen eine eigene Schaufel mit und graben, was das Zeug hält. So im Matsch zu buddeln, macht eben Spaß. Auf meine Frage, ob sie etwas vom neu Gelernten behalten haben, geben sie offen zu: „Nicht viel, aber es war schön.“ Zum Abschluss erhalten alle einen Button, der sie als Wattforscher auszeichnet, und eine Postkarte mit den „Small Five“.
Vorlesungen im zur Uni umfunktionierten Kursaal ergänzen die Führungen.
Welchen Spruch hatte Busfahrer Markus übers Watt gebracht? „Das Watt ist die sauberste Fußgängerzone der Welt, denn sie wird zweimal täglich gespült.
Infos:
www.foehr.de
Fotos:
Elke Backert