Fährschiffe, die nach dem Mond fahren, eine Inselbahn zur Beförderung, Vögel, die auf Gleisen brüten, Leuchttürme zum Duschen, ein Leuchtturm zum Heiraten und ein Pudding zum Reinsetzen. Beinahe endlos könnte man fortsetzen, was die Nordsee-Insel Wangerooge so einmalig macht.
2004 blickte die östlichste der sieben bewohnten Ostfriesischen Inseln auf 200 Jahre Seeheilbad zurück. Angefangen hatte der Badebetrieb mit einer Bekanntmachung der „Rußisch Kaiserlichen Cammer“ in den „Jeverischen wöchentlichen Anzeigen und Nachrichten“ vom 18. Juni 1804, „daß unsere Durchlauchtigste Fürstin eine Bade=Kutsche und ein Zelt den Bade=Gästen zum Gebrauch geschenkt haben; daß 11 Stuben und 19 Betten daselbst zu vermiethen; daß bey dem Vogt Amman Mittags für 8-10 gute Groschen gespeiset werden kann, als woselbst auch rother und weißer Wein die Bouteille für 8-10 gute Groschen zu haben ist; daß die Ueberfahrt mit der Chalouppe, in welcher 20 Personen überfahren können, … mit 6 Groschen inclusive der Bagage bezahlt wird…“
In der Tat hatte sich der Vogt namens Tjark Friedrich Ammann bei der damaligen russischen Regentin des Jeverlandes, Friederike Auguste Sophie, verwitwete Fürstin von Anhalt-Zerbst, um diese „Erstausstattung“ für die Errichtung einer Badestelle bemüht „zum Besten der leidenden Menschheit und vorzüglich für den weniger vermögenden Theil“. Dabei wies er auf das Aus- und Ankleiden im Freien, auf die Unanständigkeit und Neugier der Insulaner hin. Erfolgreich, aber nicht ohne Eigennutz. Denn Herr Ammann war Wirt, alleiniger Fuhrunternehmer, Krämer, Bäcker und Vogt zugleich.
Den Heileffekt von Meerwasser und Seeluft hatte man bereits 1751 in England erkannt. Und der Physiker und Schriftsteller Georg Christoph Lichtenberg (1742-1799) fragte 1792, warum Deutschland noch kein großes öffentliches Seebad habe.
Auf der nach Baltrum zweitkleinsten der Ostfriesischen Inseln, die in ihrer Form einem Seepferdchen ähnelt, leben rund 935 Einwohner. Im Sommer gesellen sich 11.000 Urlauber hinzu, darunter viele Tagesbesucher. Autos bleiben auf dem Festland zurück. Die zehn Kilometer von Harlesiel überwinden die DB-Fähren „Wangerooge“ und „Harlingerland“ in 45 Minuten. Aber die schmale Fahrrinne durch den Nationalpark Wattenmeer hat ihre Tücken. Bei extremen Wetterlagen kann es zu „Grundsitzungen“ kommen, wie Kapitän Alberts Kontakte seines Schiffes mit dem Schlick nennt. Den Fahrplan der beiden Fähren mit bis zu fünf Abfahrten pro Tag und Richtung diktieren die Gezeiten. Bei Ebbe bleibt die Insel für jeweils sechs Stunden unerreichbar.
Am Schiffsanleger wartet die Inselbahn. Wie die Fährschiffe wird auch sie von der Deutschen Bahn betrieben. Seit 1897 schnauft die Schmalspurbahn auf einem Damm durch die Salzwiesen zum vier Kilometer entfernten Inseldorf. Im renovierten Jugendstil-Bahnhof nimmt man sein Gepäck wieder in Empfang, das man am Anleger in Harlesiel eingecheckt hat.
Blick über Wangerooge-Dorf und die Insel vom Alten Leuchtturm aus
Seit 1978 darf sich der in der Inselmitte liegende Ort Wangerooge „Staatlich anerkanntes Nordseeheilbad“ nennen. Mit 9,5 Kilometer feinstem breitem Dünenstrand, davon ein großer Teil bewacht, und nur kurzem Fußweg ist das Eiland ein ideales Familienziel. Lustig sind die Strandduschen in Form von rot-weiß geringelten Leuchttürmen. Zum Baden geht es aber auch in die „Oase“ mit der 72-Meter-Rutsche und dem „Wellness Point“.
Strand- und Wattwanderer schätzen zu jeder Jahreszeit die staub- und abgasfreie Luft. An der 750 Meter langen Promenade lädt der „Pudding“, ein rundes Café-Restaurant, zur gemütlichen Einkehr mit Meeresblick. Erklimmt man die 161 Stufen des Alten Leuchtturms, ist ein herrlicher Ausblick über die autofreie Insel hinüber nach Spiekeroog, ja bis nach Helgoland gewiss. Des Nachts dringt das dortige Leuchtfeuer gar bis in die Fenster des Strandhotels „Upstalsboom“. Im Leuchtturm sind ein maritimes Museum und das Standesamt untergebacht, in dem sich jedes Jahr rund 300 Paare trauen lassen. Auf dem Vorplatz fand die alte Dampflok der Inselbahn, Baujahr 1929, ihre letzte Ruhe. Bis 1967 tat sie ihren Dienst.
Wangerooge: zum Radfahren ideal!Weithin sichtbar aus der flachen, aber an Flora und Fauna reichen Insellandschaft ragen der neue Leuchtturm und der Westturm, der als Jugendherberge dient. Über den einzigartigen Nationalpark „Niedersächsisches Wattenmeer“ informiert lehrreich und amüsant das „Rosenhaus“ am Kurpark, das auch Wattwanderungen und geschichtliche Inselführungen offeriert. Bis zu zwölf Millionen Küstenvögeln, dazu Schweinswalen und Seehunden bietet das Wattenmeer Lebensraum.
Zu den Seehundsbänken fährt MS „Harle Sand“. Weder lassen sich die drolligen Seehunde mit den lustigen Kulleraugen von den Schiffen erschrecken noch die von April bis Juni brütenden Vögel von der Inselbahn. Brüten sie im Gleisbett, ducken sie sich lediglich bei nahendem Zug, brüten sie nahebei, verlassen sie kurz das Nest, um sogleich wieder den Brütvorgang fortzusetzen.
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Infos:
www.wangerooge.de
Bei Anreise mit der Deutschen Bahn löst man die Fahrkarte vom Heimatort bis Wangerooge. Mit ICE/IC bis Oldenburg in Oldenburg. Von dort geht es mit Regionalzügen weiter nach Sande, wo man in den Tidebus nach Harlesiel umsteigt.
Kurverwaltung Wangerooge, Tel. 04469/990
Fotos:
Elke Backert